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  • Mein Leben im Jahr 2009 mit der Krankheit ALS

    Reichenbach, 25. Juni 2009

    Am 28. Februar haben sie mich zum 65. Geburtstag überrascht und im Heim eine Feier gemacht. Alle sind gekommen, auch meine Enkelin Helena.

    Mir ging es saumäßig. Hatte mir einen Virus eingefangen. Einmal im Jahr, dann mangelt es mich richtig, denn wenn es mich erwischt dann richtig, was früher nicht so war. Erhole mich dann schnell, denn zu meinem 60. Geburtstag habe ich mich schlechter gefühlt als zum 65. Geburtstag.

    Muß weiterhin den Rollstuhl benutzen und kann auch nicht sprechen - was auch vor 5 Jahren schon gewesen ist - nichts verschlechtert, alles stabil.

    Es gibt allerdings einige Veränderungen an meinem Körper. Der Adamsapfel am Hals stand immer auffällig raus, nun ist er fast unter Putz und ein sichtbares Loch am Hals, was sich beim schlucken bemerkbar macht. Mit kleinen Bissen und viel Zeit geht es. Am schlimmsten ist es mit dem Trinken, muß oft Pause machen. Beim Kaffee trinken nur große Tasse und fast kalt, denn wenn ich den Schluckreiz überlistet habe, kann ich nicht aufhören und verbrühe mir den Schlund. Beim kaltblasen vom Kaffee musste ich feststellen, dass mein Lungenvolumen stark abgenommen hat, aber mit der Luft zum Leben habe ich keine Schwierigkeiten.

    Mein rechter Arm innen ist ein langes Loch und es tut auch weh, wenn ich zu viele Übungen machen. Alles in Maßen – muss nicht übertreiben, denn in der Nacht schmerzen mein Arm und meine Schulter.

    Wenn ich dusche dann immer mit Rollstuhl selbständig. Die Freiheit muss sein! Dann Anziehen im Bett, bei Gelegenheit den Rollstuhl auf den Kopf stellen und Wasser raus laufen lassen.

    Meinen Körper schaue ich wieder gern an. Ich habe ein Leben lang 66 Kilo gehabt – jetzt 64. Egal was ich esse. Damit kann ich gut leben und der Arzt ist zufrieden. Am meisten übel ist der Speichelfluss. Ich habe es einiger Maßen im Griff mit Küchenrolle immer 2-Blatt-doppelt am Mann. Nachts zum Schlafen ein mini-Kopfkissen. Daneben zwei zusammengelegte Handtücher, darauf zwei Küchentücher. Komischer Weise wenn ich auf der linken Seite liege, läuft der Speichel raus.

    Als Zudecke habe ich seit Jahren nur den Bezug – Sommer wie Winter bei angekippten Fenster und Turnhose. Ich habe so gut wie nie Erkältungen.

    Meine neuen 18 Ergo-Studenten haben sich sitzend in meinem Zimmer vorgestellt. Auch Prüfungen erfolgen in meinem Zimmer. Oft tun alle Glieder nachts weh, aber ich erhole mich schnell und bin am nächsten Tag körperlich fit. Auch 2 Logo-Studenten kommen zu mir und machen mit mir Zungen und Mundübungen. Ich habe sie lieb gewonnen. Sie machen ihre Sache sehr gut und haben beide viel Spaß.

    Ein neuer E-Rollstuhl Meyra Primus habe ich – aber kein Betriebsanleitungsheft. Er ist der Mercedes unter den Rollstühlen. Ich habe noch nie eine leere Batterie erlebt. Auf der Landesgartenschau bin ich 3 mal 5 Stunden gewesen - sogar steile Berge hat er bewältigt ohne zu murren. Ich weiß nicht, was er für eine Super-Batterie er hat. Es ist ein großes Stück Freiheit. Ich kann in der Stadt in den Laden fahren und einkaufen.

    Ich gehe selbständig auf Toilette. Beim Hose-hoch-ziehen muss ich freihändig stehen. Dabei knalle ich manchmal mit dem Hintern auf den Sitz, wenn ich den Halt verliere. Dabei sind in 3 Jahren 2 Sitze zu Bruch gegangen. Damit kann ich leben.

    Mit meiner Medizin komme ich bestens zurecht. Jeden zweiten Tag 1 Rilutek, 2 Vitagut 1000. Täglich zum Kaffee und Tee süßen mit Bienenhonig und immer 2 Tomaten dazu. Ich muss selten Husten.

    Das Heim ist neu und modern, die Schwestern lieb. Mit mir haben Sie keine Arbeit zur Zeit – doch wissen sie, es kann sich auf einem Schlag ändern. Ich bin der Einzige mit ALS. Für die meisten ist es wie immer unbekannt und sie wissen nicht wie sie damit umgehen sollen. Das Heim hat ein einmaliges Umfeld: Fischteiche, Parkanlagen, alles sehr sauber. Im Heim gibt es keine Gerüche von Urin oder Stuhl – alles wird gleich beseitigt. Ein geistig gesunder Mensch kann sich aber nicht wohl fühlen mit fast allen Demenzkranken. Man kann sich mit keinem unterhalten. Die meisten kommen nur zum Sterben – sind nur Wochen da.

    Das Frühstück und Abendbrot ist gut – aber das Mittagessen ein Grauen. Sie bekommen es vom Krankenhaus. Man muss wissen welcher Koch da ist, dann geht es manchmal. Man braucht keinen Kalender, um zu wissen welcher Wochentag ist. Man muss nur auf den Speiseplan schauen – immer dasselbe. Zum Kaffee seit 3 Jahren wöchentlich immer der selbe Kuchen. Aber wenn es Stollen gibt, ist Weihnachten und ein Jahr vorbei.

    Mit der medizinischen Betreuung bin ich zufrieden. Der Hausarzt muss nur Puls und Blutdruck messen – immer in Ordnung. Meine Ergomädchen machen fast täglich Übungen mit mir und die Ergo- und Logo-Studenten kommen noch dazu. Man kann es auch sehen mit meinem stabilen Zustand.

    Frank Gluthmann, Kursana Reichenbach

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